Assistant Teachers - Schülerinnen und Schüler helfen bei den Hausaufgaben im Hort


Allgemein
Projektleitung
Welter
Fredi
Projektmitglied
Schmidmeister
Rosa
Baur
Ursula
Zeitrahmen
1. Durchführung: Januar 2008 - Juli 2008
2. Durchführung: November 2008 - Juli 2009
Projektbegründung
Ausgangslage
Das Projekt ist eigentlich aus einer Notlage entstanden. Im vergangenen Schuljahr wurde im Schulhaus Bachtobel ein neuer, zweiter Mittags- und Abendhort eröffnet, der in einem normalen Schulzimmer eingerichtet wurde. Die Zimmer sind schon für den normalen Unterricht knapp bemessen. Für die Hortnutzung entspricht das Platzangebot zwar den Vorschriften, ist aber zu klein, um den verschiedenen Bedürfnissen der Hortkinder gerecht zu werden. Kindergärtner wollen spielen und ältere Schülerinnen und Schüler sollten zur gleichen Zeit ihre Hausaufgaben in einer ruhigen Atmosphäre erledigen. Der Lärmpegel ist schnell zu hoch, konzentriertes Arbeiten wird schwierig. Dies führt zu Stresssituationen für die Lernenden und die Lehrpersonen, leicht entstehen Konflikte.
Im Schulhaus gibt es genügend Räume. Die Kinder können aber bei den Hausaufgaben nicht alleine gelassen werden. Es fehlen Betreuungspersonen.
So kamen wir auf die Idee, ältere Schülerinnen und Schüler zur Betreuung einzusetzen. Wir fragten die Kinder der 6. Klasse, ob sie freiwillig mitmachen würden. Das Echo war gross: Vierzehn von einundzwanzig Schülerinnen und Schülern meldeten sich und nahmen als "Assistant Teachers" an der ersten Durchführung des Projekts teil. Den englischen Namen "Assistant Teacher" wählten wir, da er für Kinder attraktiver tönt als "Hilfslehrer".

Hauptaufgabe der Sechstklässler ist die Betreuung einzelner Kinder oder einer kleinen Gruppe von jüngeren Schülerinnen und Schülern und die Mithilfe bei den Hausaufgaben. Sie können auch Übungen vorbereiten oder kleinere Lektionen durchführen. Die Hausaufgabenhilfe findet in verschiedenen Gruppenräumen statt. Dort können die Kinder in Ruhe arbeiten, während im Hort gespielt wird. Die Hortlehrpersonen begleiten die Schülerinnen und Schüler, kontrollieren die Arbeiten und helfen zum Gelingen des Projekts. Für ihren freiwilligen Einsatz und ihr Engagement werden die jungen Lehrerinnen und Lehrer am Ende des Schuljahres mit einem Einkaufsgutschein in angemessener Höhe entschädigt.
Beschreibung des Projektes
Projektziel
Was sollte verändert werden?

1. Der Hort wird den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder vermehrt gerecht.
2. Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Hausaufgaben in einer ruhigen, lernförderlichen Atmosphäre erledigen können.
3. Schülerinnen und Schüler helfen sich gegenseitig bei den Hausaufgaben. Sie verstehen sich als Lerngemeinschaft.
4. Das Raumangebot der Schule wird optimaler genutzt.
5. Die Hortlehrpersonen sind entlastet.
6. Das Schulklima wird verbessert.

Woran sollten die Veränderungen sichtbar werden?

1. Die Hausaufgaben werden inhaltlich besser erledigt.
2. Die Schülerinnen und Schüler erledigen möglichst alle Hausaufgaben im Hort.
3. Die Hortlehrpersonen können sich der speziellen Betreuung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen und der Kindergartenkinder widmen.
4. Hortlehrpersonen haben mehr Zeit für kreative Inputs und unvorhergesehene Aktivitäten.
5. Es entstehen weniger Konflikte.
Strategien und Massnahmen
A. Altersdurchmischtes Lernen

Die Idee des altersdurchmischten Lernens bildet eine der Grundlagen des Projekts. Kinder lernen von und mit Kindern verschiedener Klassen und Altersstufen. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen, Autorität auszuüben, einander zuzuhören und zu beraten. Sie erfahren, dass andere Kinder sich um sie kümmern und mit ihnen lernen. Ziel der altersgemischten Gruppe ist, der gesellschaftlichen Vereinzelung entgegenzuwirken und eine soziale Verständigung zwischen Kindern mit weit auseinanderliegenden Erfahrungswelten herbeizuführen. Dabei ist die Verständigung zwischen Unterschiedlichkeiten und nicht deren Homogenisierung das eigentliche Ziel.
Bei "Assistant Teachers" übernehmen die jungen "Lehrerinnen und Lehrer" Verantwortung für ihre Mitschüler. Durch das Aufbereiten und Erklären des Lernstoffes profitieren sie selbst dabei. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler erleben die älteren Kinder als unterstützend bei der Erledigung ihrer Hausaufgaben. Sie lernen von und mit ihnen. Sie verlieren dabei die Angst vor den "Grossen" und entwickeln ein Zugehörigkeitsgefühl zur Schulgemeinschaft.
Altersdurchmischtes Lernen bringt bei Kindern eine positivere Einstellung zur Schule, ebenso mehr Achtung vor sich selber und gegenüber Mitschülern. Es fördert den solidarischen und fürsorglichen Umgang untereinander und steigert die psychischen Gesundheitsfaktoren.

B. Individuelles und kooperatives Lernen

Das Prinzip des kooperativen Lernens bildet die zweite Grundlage von "Assistant Teachers". Kooperatives Lernen bedeutet, dass sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig bei der Arbeit unterstützen und gemeinsam zu Ergebnissen gelangen. In gut strukturierten Lerngruppen wird ein hohes Aktivierungsniveau der Lernenden erreicht, mit nachhaltigen Erfolgen im kognitiven Bereich. Problemlöse- und Sozialkompetenz werden gleichermaßen aufgebaut und führen häufig zu einem positiveren Selbstbild der Lernenden. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Arbeit in Gruppen ist das Schaffen eines förderlichen sozialen Klimas mit positiven Abhängigkeiten unter den Gruppenmitgliedern.
Wenn Schülerinnen und Schüler sich als Miterziehende am Zusammenleben verantwortlich beteiligen, identifizieren sie sich verstärkt mit der Schule als Lebenswelt, das allgemeine Schulklima und die Disziplin werden besser.
Kooperatives Lernen ist das Herzstück der integrierten Gesundheitsförderung. Die Beteiligten erfahren dabei, wie nutzbringend die gemeinsame Zusammenarbeit ist. Entlastung und gemeinsamer Erfolg werden spürbar.
Kooperatives Lernen hilft dem effizienteren und erfolgreichen individuellen Lernen.
Für Kinder ist es zutiefst befriedigend, wenn sie ihr individuelles Potential ausschöpfen können. Arbeit und Lernen werden so zu Ressourcen, die zu wichtigen gesundheitlichen Schutzfaktoren beitragen: Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Erfolgszuversicht und Selbstverantwortung.
Geplante Evaluation
Das Projekt wurde mit individuellen Erfahrungsberichten der Schülerinnen und Schüler evaluiert.
Es fand zudem eine gemeinsame Evaluation mit den Sechstklässlern statt. Dabei wurden Stärken, Schwächen und Veränderungsbedarf des Projekts mit den Schülerinnen und Schülern gesammelt.
Aus den individuellen Erfahrungsberichten, sowie der gemeinsamen Evaluation resultiert ein Fragenkatalog, den die Projektgruppe bearbeitet hat. Für die zweite Durchführung wurden daraus bestimmte verbessernde Massnahmen abgeleitet und umgesetzt.
Konzepte der Gesundheitsförderung
Chancengleichheit
Das Projekt ist für alle Kinder offen. Unterschiedliche Bedürfnisse versuchen wir zu berücksichtigen, indem wir die Kinder bei der Gruppenbildung mitbestimmen lassen.
Empowerment
Das Projekt nutzt das Potential der älteren Schülerinnen und Schüler. Auch "leistungsschwache" Sechstklässler können als "Assistant Teacher" mithelfen. Sie erleben sich in einer neuartigen Schulsituation und erlangen dabei neues Selbstvertrauen. Der besondere, freiwillige aber verbindliche Einsatz wird mit einem Einkaufsgutschein belohnt und mit einem Diplom honoriert. Die "Assistant Teachers" werden zu Vorbildern für die jüngeren Mitschüler. Sie gehören zur Hortfamilie, was mit dem Ritual des gemeinsamen "Zvieri" betont wird.
Die jüngeren Schülerinnen und Schüler fühlen sich stärker mit der Schulgemeinschaft verbunden, die Zusammenarbeit mit "den Grossen" stärkt ihr Selbstvertrauen und fördert das Zugehörigkeitsempfinden.
Partizipation
Die Schülerinnen und Schüler können gegenseitig wählen, wen sie unterrichten wollen bzw. von wem sie unterrichtet werden wollen.
Langfristigkeit
Die Schule Bachtobel hat "Assistant Teachers" in das Schulprogramm aufgenommen. Das Projekt ist neu im Betriebskonzept der beiden Horte festgehalten.
Kooperatives Lernen ist festgehalten als Qualitätsziel in der neuen Vereinbarung der Schule Bachtobel im Kantonalen Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen. Im kommenden Jahr finden sämtliche Teamweiterbildungen zu diesem Thema statt.
Zielerreichung (Evaluation)
Projektziele
1. "Der Hort wird den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder vermehrt gerecht" und "Das Raumangebot der Schule wird optimaler genutzt":

Die Kinder werden verteilt auf verschiedene Räume mit unterschiedlichen Nutzungszwecken. Die Kindergärtner und die Kinder ohne Hausaufgaben können im Hort wieder spielen ohne ihre Mitschüler zu stören. Es gibt deswegen weniger Konflikte.

2. "Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Hausaufgaben in einer ruhigen, lernförderlichen Atmosphäre erledigen können":

Das Lernklima in den Gruppenräumen ist meistens ruhig und konzentriert. Die Autonomie der Kinder führt aber manchmal auch zu vermehrter Unruhe und Konflikten. Die Schülerinnen und Schüler erledigen meistens alle Hausaufgaben im Hort. Die Hausaufgaben werden inhaltlich eindeutig besser erledigt. Wir erhalten von Eltern und Lehrpersonen diverse Rückmeldungen zur Steigerung der Hausaufgabenqualität.

3. "Schülerinnen und Schüler helfen sich gegenseitig bei den Hausaufgaben. Sie verstehen sich als Lerngemeinschaft":

Alle Kinder sind sichtlich sehr motiviert. Sie helfen einander beherzt und mit grossem Einsatz. "Assistant Teachers" ist ein Gesprächsthema unter den Schülerinnen und Schülern.

4. "Die Hortlehrpersonen sind entlastet":

Die Hortlehrpersonen können sich der speziellen Betreuung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen und der Kindergartenkinder vermehrt widmen. Sie haben mehr Zeit für kreative Inputs und unvorhergesehene Aktivitäten wie spontane Elternbesuche.

5. "Verbesserung des Schulklimas": Der Spass an der Arbeit ist spürbar. Die Sechstklässler sind stolz auf ihre spezielle Funktion. Die positiven Rückmeldungen der Eltern bestärken die Wirksamkeit des Projekts und zeigen seinen positiven Effekt gegen aussen.
Strategien und Massnahmen
Die gewählten Strategien und Massnahmen haben sich generell sehr bewährt, die Ziele wurden mehrheitlich gut erreicht.
Stärken
Als zentrale Stärke zeigen sich die Freude am gemeinsamen Lernen und der damit verbundene Lernerfolg. Die Hausaufgaben werden eindeutig besser erledigt. Die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler sind stolz als "Assistant Teacher" mitzuarbeiten und Verantwortung tragen zu können. Sie erleben und üben sich dabei als Vorbilder. Dies führt zu Erfolgserlebnissen ganz neuer Art, losgelöst von den persönlichen Lernleistungen. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler fühlen sich einbezogen, sie sind enorm stolz, dass "die Grossen" mit ihnen zusammenarbeiten.
Der Hort wird mehr mit der Schule vernetzt, es entsteht automatisch mehr Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen der Schule und den Hortlehrerinnen.
Das Projekt wird von den Eltern als sehr innovativ wahrgenommen und fördert das Bild einer zeitgemässen Schule, die auf die Bedürfnisse der Kinder optimal eingeht.
Schwächen
Eine Schwierigkeit zeigte sich vereinzelt im Schaffen eines förderlichen sozialen Klimas mit positiven Abhängigkeiten unter den Gruppenmitgliedern. Es gibt Kinder, die nutzten die autonomere Situation für Störungen. Aus Rückmeldungen der jüngeren Schülerinnen und Schüler ist selten auch sozialer Druck und Abhängigkeit spürbar. Die Lernenden müssen deshalb sorgfältig in das freie Arbeiten eingeführt und darin begleitet werden. Es ist wichtig, dass die Hortlehrpersonen die Aufgabenhilfe regelmässig kontrollieren. Vertrauen, Verantwortung, Vorbild sind Begriffe, die mit den Kindern immer wieder thematisiert werden sollten. Gegenseitige Feedbacks sind wichtig.
Die freie Gruppenwahl gilt nur dann, wenn die Regeln der Aufgabenhilfe eingehalten werden. Für das zweite Jahr erarbeiteten wir deshalb unter Mithilfe der Schülerinnen und Schüler: "Zehn goldene Regeln damit die Aufgabenhilfe erfolgreich durchgeführt werden kann".
Die neue Raumnutzung betrifft auch den Hausdienst und andere Lehrpersonen. Es ist wichtig, das Projekt im Kollegium immer wieder zu thematisieren. Absprachen und Regelungen über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind zu treffen.